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Ein Teil von Lübeck, Krummesse das Dorf der Grenzen
(Dorfschaft
Krummesse, Oktober 2020, Hannelore Verwiebe)
Grenzen können trennen, für Unmut sorgen, nerven oder ganz einfach da sein und trotzdem nicht wahrgenommen werden.
Krummesse ist einmalig und hat es damit sogar ins Guinness-Buch der Rekorde geschafft. Denn wenn man alle Grenzen im Ort zwischen dem Lübecker - und Lauenburger Teil abmisst, kommt man auf 2990,55 Meter – bei einer Fläche von 31373 Quadratmetern! Wo in der Welt gibt es eine längere Grenze – im Verhältnis zur Fläche?
Dabei verlaufen die Grenzen nicht einfach so gerade durch das Dorf, und man kann vielleicht nur an den Autokennzeichen erkennen, wo man sich gerade befindet, aber auch das täuscht. Parken doch auch hier HL für Hansestadt Lübeck und RZ für Ratzeburg (= Landkeis Herzogtum Lauenburg) dicht bei einander.
Wer es nicht weiß, schüttelt ungläubig den Kopf. Stehe ich doch auf der einen Seite im lübschen Teil, und mein Gesprächspartner, der nur 5 Schritte entfernt ist, befindet sich im Lauenburgischen. Schlimmer noch. Diese Zickzack-Linie zieht sich auch durch die Häuser. Ein immer wieder gern genommenes Beispiel ist das Haus der ehemaligen Tischlerei Busch in der Klempauer Straße Ecke Beidendorfer Weg. Heute 2020 ist dort die Sparkasse, früher war es das Wohnhaus. Hier wurde gekocht, und zwar die Bratkartoffeln im lübschen und die Spiegeleier--- na, Sie wissen schon. Gegessen wurde im Lauenburgischen, nur vorsichtig bitte, den Stuhl nicht zu weit zurückschieben.
Im Schlafzimmer gab es, wenn die Betten gut gestellt waren, wohl so manche Nacht den „kleinen Grenzverkehr“. Natürlich kam so hin und wieder die Frage auf, wie war es früher bei den Hausgeburten? Kam es vor, dass ein Kind im Niemandsland zu Welt kam?
Nun gut, vertiefen wir es nicht weiter.
Ich wurde im Lauenburgischen geboren und wuchs auch dort auf. Wenn ich meinen Schulweg abkürzte und über die jetzt bebaute Koppel lief, musste ich die Grenzen zweimal überqueren, ging ich den normalen Weg, schlich ich mich daran vorbei. Ich brauchte jedoch nur den Arm ausstrecken, dann war er schon im Lübschen.
Noch heute ist die Küsterkoppel, wie so manche Straße im Ort, zweigeteilt. Eine Straßenseite so, die andere so. Und noch heute kann man manchmal am Zustand der Straßen erkennen, wo man sich befindet.
Nicht immer wurde diese Teilung wortlos hingenommen. Scheint es Anfang des 20. Jahrhunderts noch so zu sein, dass es keine Rolle spielte, werden ab 1923 nicht die Krummesser Schüler an sich gezählt, sondern sie werden in lübsch und lauenburgisch in der Schulchronik angegeben. 1937, nach dem "Gesetz über Groß-Hamburg und andere Gebietsbereinigungen" stellt der Lehrer Pätau die Frage: „Aber wann fällt die Grenze, die Krummesse durchschneidet und in zwei Gemeinden teilt? Hat man bei der Gebietsbereinigung das Dorf Krummesse vergessen?“
Immerhin wurde beschlossen, dass die Kinder aus dem lübschen Teil die Krummesser Schule gastweise besuchen durften. Nach 1945, als sich der Schulbetrieb wieder etwas normalisierte, kam es wegen der Schulspeisung noch einmal zum starken Unmut. Gerade nach 1945 gab es mehrmals den Versuch, eine klare Entscheidung hervorzurufen. Doch weder der Lübecker Senat, noch das Herzogtum Lauenburg wollten sich von unserem Krummesse trennen. So besitzen wir 2 Bürgermeister.
Wie kam es nun aber zu dieser Kuriosität?
Schuld daran sind unsere Ritter zu Crummesse, sie waren reich und hatten viel Einfluss. Sie lebten dort, wo heute das Stadtgut steht und in Ihrer Burg am westlichen Ufer des damaligen Stecknitzkanals.
Die Blütezeit der Ritter ging im Laufe von 200 Jahren mit Marquard von Crummesse vorbei. Er soll ein Lebemann gewesen sein, wenn man es zu der Zeit so sagen konnte. Er verspielte sein Geld und lieh sich dann bei den Lübecker Kaufleuten etwas. Zur Sicherheit bot er Ländereien in Krummesse an. Nun, bei seinem Pech im Spiel fielen immer mehr Landstücke und im Jahre 1382 auch das Gutshaus an die Lübecker.
Über den Kaufmann Crispin und Darsow ging es an die Familie Stiten. 1616 erbte Heinrich von Brömbsen das Gut und die Mühle Krummesse, es blieb 5 Generationen im Familienbesitz. 1757 kaufte die Stadt Lübeck es.
Trotz aller Flurbereinigungen ist der Lübecker Flächenanteil größer, zwei Drittel zu einem Drittel. Westlich vom Kanal gehört alles dazu und östlich dürfen Sie raten, wo Sie sich gerade befinden.
Bei den Einwohnern - 1734 zu 1067 - sind allerdings die Lauenburger weit in der Überzahl.
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